Plagiate 2. Art zur Vermeidung wissenschaftlicher Diskussionen


Zwei Beispiele


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Von Plagiaten 2. Art spreche ich, wenn in Artikeln eine Arbeit bzw. sein Autor kritisiert wird, ohne dass der kritisierte Artikel und Autor zitiert wird, um ihm die Möglichkeit einer Gegendarstellung oder in gewissen ganz krassen Fällen einer Verleumdungsklage zu nehmen. Solche Kritiken sind einerseits genügend allgemein abgefasst, dass „Uneingeweihte“ die kritisierte Arbeit nicht sofort erkennen können, aber andererseits doch spezifisch genug, dass alle, die man ansprechen will, sofort wissen werden, was und wer gemeint ist und was die Meinungsmacher in ihrem Einflussbereich als kanonische Wahrheit verstanden wissen wollen. Ich erläutere die Situation an zwei Beispielen, die die Weltpotentialtheorie (WPT) und damit auch mich persönlich betreffen:
  1. Am 13. Dez. 2005 rief ich Bruno Leibundgut, einen im Zusammenhang mit Supernovae Ia-Beobachtungen bekannten ESO-Astronomen, an, weil ich wissen wollte, was er von meinem WPT-Abgleich an den Astier-Daten halte, um von ihm etwas über allfällige, bekannte Fallstricke zu erfahren. Das Gespräch begann schon sehr seltsam: Obwohl er – wie ich – Schweizer ist, wollte er anfänglich mit mir Schriftdeutsch sprechen. Auf mein Nachhaken, ob er denn nicht Basler sei, erwiderte er dann, sie hätten halt gemeint, dass ich Deutscher sei: Ich war demnach mit meinem WPT-Ansatz für die kosmologische Rotverschiebung mindestens dem Namen nach in seiner Umgebung bereits bekannt; ich hatte den WPT-Rotverschiebungsdatenabgleich erstmals am 7. Dez. 2005 in de.sci.physik (dsp) veröffentlicht. Er fragte dann nach meiner el. Adresse und versprach, sie würden sich noch vor Weihnachten zu meinem Ansatz schriftlich äussern. Ich hörte dann allerdings über zwei Jahre lang nichts mehr aus der Umgebung von Leibundgut. Erst vor etwa einem Jahr gab es im Ap. J. eine indirekte Antwort: „TIME DILATION IN TYPE Ia SUPERNOVA SPECTRA AT HIGH REDSHIFT“ Ich zitiere aus der Kurzfassung:

    ... These measurements thus confirm the expansion hypothesis, while unambiguously excluding models that predict no time dilation, such as Zwicky’s “tired light” hypothesis. We also test for power-law dependencies of the aging rate on redshift. The best-fit exponent for these models is consistent with the expected 1/(1 + z) factor.

    Angesichts der Tatsache, dass allermindestens Leibundgut, einer der bekannteren Autoren, genau wusste, dass es mindestens eine Theorie eines statischen Alls, nämlich die WPT, gibt, die den Zeitlupeneffekt gravitativ – also ohne Expansion – erklären kann, halte ich obige Kurzfassung – ohne Hinweis auf die WPT – für eine bewusste Irreführung der Leser.

  2. In den ersten Januartagen 2006 schickte ich Ruth Durrer, Professorin an der Uni Genf und Leiterin der dortigen Kosmologiegruppe, meine Arbeit zur Kosmologischen Rotverschiebung vom 31. Dez. 2005, worin ich sie einerseits um ihre Meinung dazu fragte und andererseits von ihr auf Ratschläge hoffte, wie ich mich ohne institutionelle Anbindungen gegenüber dem SNF (Schweizerischer Nationalfond) verhalten solle. Als Frau Durrer innert Monatsfrist nicht einmal eine Empfangsbestätigung schickte, rief ich sie an; das Gespräch war höchst unerfreulich: Sie klagte vor allem über Arbeitsüberlastung und noch mehr über zu wenig Geld. Als ich dann aber fragte, an wen ich mich denn in der Schweiz sonst wenden solle, meinte sie nach meiner Erinnerung aber sinngemäss, dass sie in der Schweiz die einzige ernst zu nehmende Kosmologin sei. Als sie an eine Sitzung musste, schloss ich das Gespräch damit ab, dass ich ihr sagte, dass sie sich – ihrer Arbeitsüberlastung wegen – um meine Arbeit nicht zu kümmern brauche, dass ich also auch keine Antwort mehr erwarte.
    Nach etwa zwei Jahren kam dann (sehr vermutlich) doch noch eine Antwort an mich und wohl vor allem an den SNF, der diese „Antwort“ finanziell unterstützt hatte (warum wohl?) auf Seite 5 (Punkt 2) der Arbeit „Dark Energy and Dark Gravity: Theory Overview“ von Ruth Durrer und dem Mitautor Roy Maartens. Darin behaupten Frau Durrer und vermutlich das ganze Umfeld des emeritierten, aber immer noch sehr bekannten schweizerischen Kosmologieexperten Norbert Straumann (Ruth Durrer ist Schülerin von ihm) von der Uni Zürich, den ich schon während meiner (ETH-)Diplomarbeit persönlich kennen gelernt hatte (damals kamen wir noch sehr gut miteinander aus), dass die WPT wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genüge. Das mit den „wissenschaftlichen Ansprüchen“ hat neulich, am 10. März 2009, Prof. Jetzer von der Uni Zürich, auch ein Straumannschüler, anlässlich der Diskussion nach einem Vortrag mündlich wieder aufgewärmt, allerdings unter Verzicht jeglicher Argumente, während Durrer noch ein solches Argument angab, das aber nur belegt, dass sie meine Arbeit gar nie gelesen und verstanden hatte: Ich zitiere den entsprechenden Abschnitt aus Durrers eben genannter Arbeit:

    A physical theory allows a Lagrangian formulation
    Fundamental physical theories have a Lagrangian formulation. This requirement is of course much stronger than the previous one. But it has been extremely successful in the past and was the guiding principle for the entire development of quantum field theory and string theory in the 20th century. If we drop it, anything goes. We can then just say the evolution of the scale factor of the universe obeys a(t) = At1/2 + Bt2/3 + C exp(t/t0), call this our physical theory and fit the four parameters A, B, C and t0 from cosmological data. Of course something like this does not deserve the name ’theory’; it is simply a fit to the data.


    Der letzte Satz nach dem Strichpunkt ist ziemlich genau das, was mir Frau Durrer schon am Telephon – etwa Anfang Februar 2006 – gesagt hatte, allerdings ohne zu merken, dass dieser Vorwurf vor allem die Standardkosmologie trifft, aber die WPT eben grade nicht. Zudem überschätzt Ruth Durrer – wie viele rein mathematisch ausgerichtete Physiker – die mathematische Formulierung gegenüber dem physikalischen Inhalt enorm:

    1. Es ist nämlich überhaupt nicht klar, inwiefern eine Lagrangeformulierung – mindestens im Falle dissipativer Systeme – physikalisch besonders angezeigt sein sollte, auch und gerade weil man für alle Theorien, die durch ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen beschreibbar sind, formal eine solche Formulierung finden kann, was aber halt viel mehr mit Mathematik als mit Physik zu tun hat (man lese z.B. in Arnold Neumaiers theoretischem Physik-FAQ den Abschnitt „Dissipative dynamics and Lagrangians“). Im Falle der WPT ist die Situation – mindestens auf den ersten Blick – diesbezüglich insofern besonders unangenehm, weil die Erweiterung auf ein nicht mehr dissipatives System den Einbezug der als aktual unendlich angenommenen Massenschale verlangte; unübliche Probleme rufen aber im Allgemeinen auch nach unüblichen Lösungsansätzen.

    2. Der Lagrange-Formalismus ist in aller Regel nicht geeignet die Physik, schon gar nicht neue Physik, zu verstehen. Seine Stärke liegt in der Formalisierung von vielen physikalischen Theorien, die man schon weitgehend, mindestens so gut verstanden hat, dass man die richtige oder mindestens eine hinreichend geeignete Lagrangefunktion erraten kann. In aller Regel sind aber die Differentialgleichungen noch viel näher bei den physikalischen Erscheinungen als zugehörige Lagrange- oder Wirkungsfunktionen, aus denen formal die Differentialgleichungen wieder gewonnen werden können. Es ist eine Unsitte mit dem Wirkungsintegral zu beginnen statt mit den fundamentalen Differentialgleichungen und den ihnen zugrunde liegenden physikalischen Betrachtungen. Begonnen hat dies wohl mit dem behaupteten, aber letztlich bis heute nicht belegten Erfolg Hilberts bei der Aufstellung der ART-Feldgleichungen aus dem Wirkungsprinzip. Wenn sich nämlich die WPT unter dem Strich als richtig herausstellen sollte, dann wird sich dies – insbesondere aber die geometrische Interpretation der Gravitation – als ein Irrweg herausstellen.

    3. Eine Lagrangeformulierung allein kann zudem keine Theorie davor bewahren letztlich nur eine Parameteranpassung an die bekannten Beobachtungsdaten – kaum besser als eine Polynomanpassung – zu sein. Ein Paradebeispiel ist die Standardkosmologie mit dunkler, exotischer Materie und dunkler Energie, wo man es teilweise nicht nur mit freien Parametern, sondern sogar mit freien Parameterfunktionen zu tun hat, so dass diese Theorie kaum noch falsifizierbar ist, weswegen man die Standardkosmologie – nach bisher üblichen Massstäben – eigentlich nicht mehr als wissenschaftliche Theorie gelten lassen kann: Sie ist primär nur noch eine mathematische Vision – in Lagrangeformulierung – aber ohne jeden Erklärungswert für das real existierende Weltall. Das, was Frau Durrer im Gleichklang mit der Mehrheit der staatlich geförderten Astronomen propagiert – letztlich die Standardkosmologie im Sinne eines Dogmas – ist darum schon lange keine Physik mehr!

    4. Primär geht es in der Physik aber darum eine Theorie mit minimalem, freiem Parametersatz, gleichzeitig möglichst grossem Geltungsbereich und möglichst präzisen, überprüfbaren Folgerungen zu finden: Und gerade hierin ist die WPT bisher maximal erfolgreich: Trotz weit spezifischeren und weiter reichenden Aussagen, als sie die Uknallkosmologie liefern kann, gibt es bisher in der WPT-Kosmologie nur einen einzigen leicht freien Parameter, die Hubblekonstante, die durch die mittlere Massen- bzw. Energiedichte des Alls bestimmt wird, die zwar grundsätzlich nicht direkt gemessen werden kann, aber aus Plausibilitätsgründen etwa grössenordnungsmässig in der Gegend der Dichte in den grössten, beobachtbaren Raumgebieten liegen sollte; und genau das ist tatsächlich der Fall!

    5. Inzwischen kann die WPT – mindestens im rein kosmologischen Teil – sogar auch metrisch bzw. scheinmetrisch formuliert werden (siehe vor allem die Anhänge in meiner Arbeit „Kosmische Gravitation“ ), was 2005/2006 zur Zeit meines Telephonkontaktes mit Frau Durrer noch nicht so war. Wer schon zu Beginn einer gänzlich neuen Theorie eine Lagrangeformulierung verlangt – selbst wenn dies im Allgemeinen eine grundsätzlich sinnvolle Forderung ist – behindert die physikalische Forschung.

    6. Weiter belegt Durrers Bezug auf die String-Theorie in obigem Zitat schon allein das gestörte Verhältnis sehr vieler Theoretiker und Kosmologen, die in Wahrheit eben nicht Physiker, sondern Mathematiker sind, zur Realität: Bis jetzt sind die Vertreter dieser Theorierichtung nämlich den Beweis schuldig geblieben, dass es sich da um mehr als um mathematische Visionen oder gar blosse Hirngespinste handelt. Nur weil eine Theorie im Lagrangeformalismus daher kommt, heisst das noch lange nicht, dass eine solche Theorie irgend etwas mit Physik zu tun hat; so einfach ist Physik definitiv nicht!


    Letztmals bearbeitet: 14. Juli 2012


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